Selbstbefriedigung bei Kindern – So stellst Du Dich diesem Thema
Neulich war ich wieder in einem Mama-Talk und bekam mit, wie schwierig es für Eltern sein kann, wenn sie mitbekommen, dass ihre Kinder sich selbst befriedigen.
Ganz ehrlich, das kann einen auch erst einmal schocken oder zumindest irritieren, wenn man sieht, wie sich ein Kleinkind breitbeinig über sein Kuscheltier hermacht, sich reibt und dabei stöhnende Geräusche macht.
Selbstbefriedigung. Ein Thema, über das man sich normalerweise nicht ständig unterhält und doch hat jeder seine Gedanken dazu. Heute möchte ich Dich ermutigen, Dich diesem Thema in Bezug auf Dein Kind noch einmal neu zu stellen.
Betrachte einmal mit mir folgende 5 Gesichtspunkte zu diesem Thema:
- Sexualität von Kleinkindern versus Erwachsenen
- Gesellschaft – Wie geht die Gesellschaft mit Selbstbefriedigung um?
- Aufklärung versus geschlechtliche Erziehung
- Gott – Was sagt die Bibel?
- Warnung vor Sucht
- Fazit
Sexualität von Kleinkindern versus Erwachsenen
Auch Kinder haben bereits eine Sexualität. Wir Menschen sind als sexuelle Wesen geschaffen. Das passiert nicht einfach irgendwann in einem bestimmten Alter, sondern jeder hat seine Sexualität von Anfang an. Ein Baby nimmt z.B. den Körperkontakt zu Mama und Papa als extrem stimulierend und wunderschön wahr. Haut an Haut ist das Schönste für Babys. Mamas ermöglichen das beim Stillen und Papas beim Tragen des Babys an der nackten Brust. Auch Babymassagen zielen genau darauf ab, Babys über den Hautkontakt zu stimulieren und ihnen die Chance zu geben, sich mit dem ganzen Körper wahrzunehmen.
Beobachte mal Krabbelkinder, die gerade erst anfangen mit dem Krabbeln, wie sie dieses prickelnde Gefühl entdecken, wenn die Windel im Bereich der Scheide oder des Penis` reibt. Sie halten dann ab und an inne und leben das neuentdeckte Gefühl aus und wollen das genauer kennenlernen, also wiederholen sie es immer wieder. Das ist ganz natürlich.
Es gibt einen prägnanten Unterschied der Sexualität von Kleinkindern und Erwachsenen. Die Sexualität und somit die Selbstbefriedigung von Kleinkindern zielt ausschließlich auf das eigene “Ich”, auf den eigenen Körper, auf die eigene Körperwahrnehmung ab. Für Erwachsene hingegen hat Sexualität sehr viel mit einem “Du” und auch mit Erotik zu tun. Erwachsene wissen, dass Sexualität mit einem Gegenüber ausgelebt wird. Erwachsene, die sich selbst befriedigen, tun das auch für sich, haben aber oft Bilder, erotische Gedanken im Kopf, die mit einem Gegenüber zu tun haben. Das ist bei Kleinkindern absolut nicht der Fall! Bei Erwachsenen ist die Sexualität auf ein „Du“ ausgerichtet, während sich die Sexualität bei Kleinkindern rein egoistisch auf das „Ich“ bezieht.
Selbstbefriedigung bringt Entspannung, ist auch Druckabbau – das gilt für Erwachsene wie für Kinder. Kinder lernen auf ihrer Entdeckungsreise ihres Körpers recht schnell kennen, dass man durch Selbstbefriedigung in einen sehr entspannten Zustand kommt. Und auch Kinder dürfen und sollen das bejahen. Sie dürfen sich selbst im Intimbereich anfassen und es schön finden. Da ist nichts Falsches dran, auch wenn es uns als Erwachsene manchmal irritiert, wir uns evtl. erschrecken. Bemühe Dich, Dein Kind nicht zu tadeln mit „Pfui, das macht man nicht.“ oder “Nimm deine Hände da weg” oder ähnlichem. Wichtiger ist es, Deinem Kind einen geschützten Rahmen für diese intime Entdeckerzeit zu ermöglichen – aber dazu später mehr.
Gesellschaft – Wie geht die Gesellschaft mit Selbstbefriedigung um?
Nimm Dir kurz Zeit und überlege, wie Du das persönlich wahrnimmst.
Ich beobachte, dass Sexualität öffentlich beworben “wird“, dass Sex in aller Munde ist und von jedem 3. Werbeplakat sexualisierte Inhalte auf uns einströmen. Doch konkret das Thema Selbstbefriedigung nehme ich viel weniger thematisiert wahr als anderes, wie z.B. Kondomwerbung. Ich nehme auch wahr, dass es scheinbar nicht normal ist, dass Menschen draußen herumlaufen und sich selbst befriedigen, im Bus oder auf der Parkbank. Es scheint ein gesellschaftlicher Konsens zu bestehen, dass Selbstbefriedigung eine intime Angelegenheit ist. Es ist etwas Privates. Anscheinend gibt es unter den Menschen ein natürliches Schamempfinden bei diesem Thema. Sogar kleine Kinder fühlen sich „ertappt“, wenn sie darauf angesprochen werden, dass sie ihre Finger in der Hose haben.
Und genau da dürfen wir bei unseren Kindern auch ansetzen. Erziehe Dein Kind zu einer gesunder Scham. Es geht nicht um das Negative “Ich schäme mich und werde rot.”, sondern um die natürliche Scham. Dein Kind darf lernen, dass jeder Mensch eine Privatsphäre hat und dass diese respektiert werden muss.
Nimm als Beispiel die Nacktheit. Nacktheit ist völlig normal, in gewissem Kontext. Wenn Du in Deinem Haus nach dem Duschen nackt in Dein Schlafzimmer läufst, um Dich anzukleiden, dann ist das völlig okay. Auch wenn Dein Kind Dich dabei sieht, ist es okay und normal. Es soll dies auch als normal ansehen. Dennoch solltest Du Deinem Kind beibringen, dass es auf der anderen Seite z.B. im Einkaufszentrum nicht okay ist, wenn es in Unterwäsche aus der Umkleidekabine herausläuft, um noch andere neue Kleidung auszuwählen, die es anprobieren möchte. Es gibt Dinge, die bleiben privat, sind intim. Das sollte Dein Kind lernen.
Warum ist dieser Punkt so wichtig?
Es geht hier um den enorm wichtigen Schutz Deines Kindes. Kinder müssen geschützt werden, z.B. vor Missbrauch. Wenn Dein Kind ein natürliches Schamempfinden aufgebaut hat, ist es besser vor sexuellem Missbrauch geschützt. Du kannst Deinem Kind z.B. folgendes beibringen: „Das ist dein privater Bereich, das gehört zu dir, das ist deine Scheide bzw. dein Penis. Aber wir bedecken dies mit Kleidung, damit es geschützt ist, kein Schmutz dran kommt. In diesem Bereich darf dich niemand einfach anfassen, nur die Mama, der Papa z.B. beim Waschen und ggf. ein Arzt. An deinen Po lässt du dir bitte auch nicht fassen. Umgekehrt gilt das natürlich auch für dich: du fasst auch niemanden ungefragt im privaten Bereich an.”
Sehr wichtig: Wenn Du entdeckst, dass Dein Kind masturbiert, dann spreche es danach darauf an. „Ich hab gesehen, dass Du das und das tust. Du lernst Dich da gerade besser kennen. Gefällt Dir das schöne Gefühl in deiner Scheide oder deinem Penis? Das ist auch okay, wenn Du das hier in Deinem Zimmer tust, wenn Du allein bist.“
Dieses Ansprechen kann und sollte auch nur ganz kurz sein, keine langen Abhandlungen. Aussagen wie “es ist okay”, “tu es allein”, “tu es nur in deinem Zimmer” sollten dabei vermittelt werden.
Gib Deinem Kind die Möglichkeit, eine gesunde Scham zu entwickeln. Und das bedeutet eben auch, das alles (auch die Geschlechtsorgane!) mit Namen benannt wird und dass Dein Kind sich in einem Schutzrahmen wie allein im Kinderzimmer in seinem Intimbereich anfassen darf. Denn Mama oder Papa machen das auch nicht im Wohnzimmer. 😉
Aufklärung versus geschlechtliche Erziehung
Wir wollen aufgeklärte Kinder haben. Aufgeklärt. Was beinhaltet das und wer klärt wann und wie auf?
Ich höre öfter den Satz: „Ich habe mein Kind aufgeklärt.” Ich frage mich dann meistens, was der- oder diejenige damit meint. Aufgeklärt. Das wirkt so einmalig. Als ob es dazu ein Gespräch gab und dann ist es gut, nach dem Motto: „ Wenn mein Kind alt genug ist (wann soll das sein?), dann setze ich mich mal hin und erzähle ihm alles, was es wissen muss zur Sexualität.“
Wie bei vielen anderen Erziehungsthemen, reichen ein einzelnes oder gar zwei Gespräche mit Deinem Kind nicht aus. Es geht um geschlechtliche Erziehung und Erziehung ist ein Prozess, kann also nicht einmalig abgehandelt werden. Die geschlechtliche Erziehung beginnt mit der Geburt und endet dann, wenn Dein Kind zu einem Erwachsenen herangereift ist und Du es aus Deiner Erziehungsverantwortung entlässt. Kinder reifen Stück für Stück heran und brauchen immer wieder die Begleitung und den Schutz durch ihre Eltern. Das ist im sexuellen Bereich genauso. Ziel ist es, dass Du mit Deinem Kind über die geschlechtlichen Themen genauso im Gespräch bist und bleibst, wie bei allen anderen Themen auch. Als Beispiel sei die Verkehrserziehung genannt, die mit dem Älterwerden des Kindes immer weiter vertieft und nicht einmalig abgehandelt wird.
Wichtig: Wenn Du mit Deinem Kind sprichst, dann versuche das so neutral wie möglich ohne Bewertung zu tun. Wenn Dein Kind weiter nachfragt, erzähl weiter, wenn nicht, dann nicht. Gespräche über Sexualität erwachsen oft konkreten Situationen, die man immer aufgreifen und nutzen kann.
Beispiele
Mein Sohn kam einmal mit ca. 3 Jahren durch unsere Wohnung mit neuen “Armbändern” gelaufen. Er hatte meine Tampons entdeckt und fand die klasse. 😉 Da durfte ich ihm kurz erklären, dass das kein Spielzeug ist, sondern dass das der Mama gehört. Eine andere Situation war etwas herausfordernder: Als er ungefähr 8 war, fragte er mich völlig aus der Kalten beim Autofahren: „Mama, was bedeutet eigentlich fick dich?“. Ja, da musste ich kurz schlucken und mich sammeln, um ihm eine 1-Minuten-Antwort zu geben, die ihm auch gereicht hat. Und so geht es je nach Alter immer tiefer in die Themen rein. Durch diese Gespräche setzen die Kinder Stück für Stück ihr Puzzle zur Sexualität zusammen.
Sei dankbar über jede Frage, die Dein Kind Dir stellt und die Du beantworten darfst! Wenn Du keine Antworten für Dein Kind hast, wird es woanders hingehen und findet möglicherweise Antworten, die Du nicht gegeben hättest. Du kannst nicht “nicht aufklären”. Alles was Du sagst und nicht sagst, beobachtet Dein Kind. Je offener Du mit Deinem Kind auch über solche intimen Dinge “normal” sprichst, desto fester wird die Vertrauensbasis eurer Beziehung.
Gott – Was sagt die Bibel?
Sexualität ist ein Geschenk Gottes an die Menschen, das “Ich” schenkt sich dem “Du”. Kinder sind reine “Ich”-Menschen, sie brauchen lange, bis sie erkennen, dass es auch ein “Du” gibt. Sie müssen sich erst in diese Richtung zum “Du” hinentwickeln. Sie tun dies, indem sie lernen auch einmal nachzugeben, etwas abzugeben, zurückzustecken, den eigenen Kopf nicht immer durchzusetzen nicht immer nur seinen eigenen selbstsüchtigen Wünschen zu folgen. Verzicht müssen sie erst lernen. Erst durch Verzicht sind Menschen auch in der Lage, sich dem “Du” zuzuwenden. Und das auch im sexuellen Bereich.
Es gibt eine berühmte Bibelstelle, die oft (eigentlich fälschlicherweise) beim Thema Selbstbefriedigung angeführt wird: 1. Mose 38,1-10 Es ist die Geschichte von einem Mann namens Onan, von dessen Namen das Wort Onanieren abstammt.
Es wird beschrieben, dass Onans Bruder gestorben ist und er “musste” seine Schwägerin heiraten. Damals war das Sitte, damit die Witwe nicht mittellos verarmt. Diese Schwägerin hatte noch keine Kinder mit Onans Bruder, somit keinen Erben. Er hat mit der Schwägerin geschlafen, um die Ehe zu vollziehen und hat dann seinen Samen zu Boden fallen lassen und hat sich nicht in der Frau ergossen. Damit hat Onan der Schwägerin die Chance genommen, einen Erben zu gebären.
Aber in dieser Geschichte geht es nicht wirklich um Selbstbefriedigung und das es eine fatale Sache ist, seinen Samen außerhalb einer Frau zu ergießen, sondern es geht darum, dass Onan den Sinn der Ehe mit seiner Schwägerin gebrochen hat. Sie hat keine Chance einen Sohn zu gebären, der sie im Alter absichert.
Die Bibel sagt an keiner anderen Stelle etwas zu Selbstbefriedigung. Paulus hat einmal den berühmten Satz in 1. Korinther 6,12 gesagt: “Es ist mir zwar alles erlaubt, doch ich will mich von nichts beherrschen lassen.” Ich denke, dass dies auf alle Lebensbereiche zutrifft, so auch auf die Sexualität. Als Beispiel: Wenn ich in einer Partnerschaft lebe und mich oft selbst befriedige, dann nehme ich meinem Partner die Möglichkeit, mit mir in Gemeinschaft zu kommen, denn ich brauche dann meinen Partner nicht mehr, um mein sexuelles Bedürfnis zu befriedigen. Ich denke, dass tut der Partnerschaft nicht gut. Man verwehrt sich viel, wenn man sich selbst besser befriedigen kann als der Partner, weil man da jahrelange Übung hatte.
Suchtwarnung
Kleinkinder leben in der Welt des Entdeckens und Wahrnehmens. Sie lernen sich, ihren Körper und alle dazugehörigen Gefühle kennen und nehmen wahr, dass sie sich durch Selbstbefriedigung entspannen können.
Und hier muss man aufpassen. Denn alles was in unserem Körper das Belohnungssystem (Dopamin-Ausschüttung) anschlagen lässt, kann süchtig machen. Und bei einem Orgasmus wird viel Dopamin freigesetzt.
Dein Kind darf lernen, dass es viele verschiedene Arten gibt, um zu entspannen. Du kannst also Deinem Kind auch andere Sachen anbieten. Druckabbau durch Sport, Entspannung durch Kuscheln, Bücher anschauen. Beobachte Dein Kind, in welchen Situationen es sich selbst befriedigt, damit Du dann auch gezielt Alternativen anbieten kannst. Ziel ist es, dass Selbstbefriedigung nicht zur Abhängigkeit wird: “Ich kann nur über Selbstbefriedigung entspannen.” Es sollte kein automatisches Programm werden, wenn Dein Kind abends schlafen geht und morgens aufwacht. Gerade für Jungen, kann dies sehr unangenehm in der Jugend werden, wenn zusätzlich zum Entspannungsgefühl die Samenflüssigkeit plötzlich mit dazu kommt.
Lehre Dein Kind, sich auf verschiedene Art und Weisen zu beglücken und zu entspannen und nicht nur im sexuellen Bereich. Es gibt auch noch andere Wege.
Fazit
Es gehört zur gesunden Entwicklung von Kindern dazu, sich als Ganzes mit dem gesamten Körper kennenzulernen und wahrzunehmen. Selbstbefriedigung bei Kindern hat keinerlei sexuelle Zielsetzung, wie bei Erwachsenen. Es ist schlichtweg die Beschäftigung mit dem eigenen Körper. Wenn Kinder masturbieren, ist das kein Zeichen von Mangel und Not, z.B. Liebesbedürftigkeit. Selbstbefriedigung ist etwas ganz Natürliches.
Gib Deinem Kind die Möglichkeit, eine gesunde Scham zu entwickeln. Und das bedeutet eben auch, dass es sich in einem Schutzrahmen wie allein im Kinderzimmer in seinem Intimbereich anfassen darf.
Kinder müssen eine gesunde Einstellung zur Sexualität aufbauen. Sie werden irgendwann in Partnerschaft kommen, heiraten und Sexualität auf der „Du“ Ebene ausleben. Dafür muss Dein Kind gelernt haben, zu verzichten, um sich auch um die Bedürfnisse des Partners kümmern zu können und nicht beim „Ich“ stehen zu bleiben.
In der Entwicklung der Kinder gibt es für die meisten Themen diverse Zeitfenster, da ist das Thema ganz groß, aber dann rutscht ein anderes Thema wieder mehr in den Vordergrund und die körperliche Entdeckung wird wieder weniger. Oft ist Selbstbefriedigung ein schambehaftetes Thema. Dennoch ermutige ich Dich, mit Deinem Kind darüber sprechen, sonst wird es sich andere Personen suchen.
Wenn Du noch weiter in das Thema einsteigen willst, dann nimm gern Kontakt mit mir auf.
Deine Sandra
Sandra Giera ist Familiencoach, Fachreferentin für Erziehung und Mutter zweier Kinder. Mit Herz und Klarheit hilft sie Eltern, die Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, gesunde und glückliche Beziehungen zu schaffen.