Geduld in der Kindererziehung

Geduld in der Kindererziehung

“Geduld ist eine gute Eigenschaft. Aber nicht, wenn es um die Beseitigung von Missständen geht.” (Margaret Thatcher)

Ja, die liebe Geduld. Geduld gilt als eine Tugend – gut, wenn man sie hat. Ich mag den Ausspruch von Margaret Thatcher, denn es sagt aus, dass es Dinge gibt, die keiner Geduld bedürfen, und zwar wenn es um Not geht. Meinem Kind kann ich an der Straße nicht in Geduld zusehen, wie es auf diese rennt und wenn mein Kind im Begriff ist, seinen Kakao über mein helles Sofa zu kippen, darf ich auch schnell handeln ohne es auszuhalten.

Definition

Was heißt es geduldig zu sein? Im Allgemeinen bedeutet es einfach nur, dass Du die Fähigkeit hast, zu warten oder etwas zu ertragen. Du bist geduldig, wenn Du Deine ungestillten Bedürfnisse und Wünsche eine gewisse Zeit bewusst hinten anstellen kannst.

In der Bibel steht für Geduld das griechische Wort “makrothymia”, welches mit “Langmut” übersetzt wird und folgende Eigenschaft beschreibt: Ein Mensch, der die Macht und die Gelegenheit hätte, sich zu rächen oder zu strafen, hält sich zurück und gebraucht diese Macht nicht. Sein Gemüt hat einen langen Atem, bevor es einer Handlung oder einer Leidenschaft Raum gibt. (Quelle: Elberfelder Studienbibel, R.Brockhaus)

Und das trifft mich mitten ins Herz: Ich bin eine Mama und ja, ich habe eine gewisse Machtstellung gegenüber meinem Kind. Setze ich diese hin und wieder ein? Ja. Habe ich immer einen langen Atem, bevor ich z.B. meinem Ärger Raum gebe? Nein. Das ist unschön, aber doch auch normal. Eltern sind auch nur Menschen. Wir sind nicht perfekt, werden es auch nicht werden. Trotzdem wünsche ich mir tief in meinem Inneren, dass ich geduldiger wäre.

Was macht Geduld oder auch Ungeduld mit meinem Kind?

Geduld…

Ungeduld…

… lässt meinem Kind Zeit, seinen Weg zu gehen. … hetzt mein Kind und lässt es auf seinem Weg „stolpern“.
… drückt Annahme aus. … setzt das Kind herab mit den unausgesprochenen Worten „Du bist falsch“.
… respektiert das Anderssein. … stülpt meinem Kind mein „Fühlen, Denken und Handeln“ über.
… sucht und findet neue Wege für das Kind. … unterbindet die freie Entfaltung des Kindes.
… erzeugt Frieden. … erzeugt Stress für mein Kind und daraus resultierend, Rebellion und Wiederstand.

Warum ist Geduld wichtig für die gesunde Kindesentwicklung?

Kinder befinden sich in der Entwicklung und lernen jeden Tag, unaufhörlich, immer. Ein geduldiger Umgang mit Deinem Kind hilft ihm, sein Tempo, seine Wege zu gehen und zwar so, wie es dies am besten braucht. Die Entwicklung verläuft in unterschiedlichen Stufen, auf die aufgebaut wird. Es ist wichtig für Dein Kind, dass es diese Stufen durchlaufen darf und alles lernt, was jeweils wichtig ist. Dafür braucht es Raum und Zeit, welche Du durch Deine Geduld Deinem Kind gewährst.

Mit Geduld in der Kindererziehung gibst Du auch Deine Werte weiter, und das umso besser, je geduldiger Du bist.

Du bist das Vorbild für Dein Kind.

Und da fängt es schon bei der Tugend der Geduld an: Bist Du geduldig, wird Dein Kind dies auch nachahmen. Bist Du aber ungeduldig, dann wundere Dich nicht, wenn Dein Kind ungeduldiges Verhalten an den Tag legt.

Wie lerne ich mehr Geduld mit meinem Kind zu haben?

1. Nimm eine andere Perspektive ein!

  • Erfreue Dich an Deinem Kind!
  • Schau auf die Sachen, die Dein Kind toll kann und super macht. Mach Dir dafür wirklich mal eine Liste und sei dankbar für Dein wunderbares Kind.
  • Akzeptiere Dein Kind so wie es ist, auch mit seinem Temperament und “Macken”.
  • Verstehe, dass Dein Kind den ganzen Tag lernt und alles was es tut, tut es für seine Entwicklung und nicht gegen Dich.

2. Setz Dir ein Ziel, habe es vor Augen und investiere langfristig!

Wenn Du weißt, wo Du Dein Kind “hinhaben” möchtest in der Zukunft, dann hilft es Dir, geduldig darauf hinzuarbeiten und es geduldig zu ertragen, dass nicht immer gleich alles gut klappt. Stelle nicht einfach Erwartungen an Dein Kind, sondern bringe ihm alles bei. Erst wenn Dein Kind gelernt hat, kannst Du von ihm etwas erwarten.

  • Soll Dein Kind selbstständig werden? -> Dann lass es Dinge ausprobieren.
  • Soll Dein Kind rücksichtsvoll werden? -> Dann lehre es ihm, lass es ab und zu warten.
  • Soll Dein Kind Wissen erwerben? -> Dann nimm Dir Zeit und schaue Bücher mit ihm an.
  • Soll Dein Kind mal ein guter Schüler werden? -> Dann lehre ihm Aufmerksamkeit, Konzentration und Ausdauer zu haben, indem Du z.B. Gesellschaftsspiele mit ihm spielst.

3. Sei klar und deutlich!

  • Höre auf zu Nörgeln. Das nervt nicht nur Dein Kind, sondern auch Dich. Und bringen tut es gar nichts.
  • Mach Dir lieber Gedanken, was Du konkret von Deinem Kind in verschiedenen Situationen möchtest. Erst dann kannst Du es klar und deutlich formulieren.

Du willst mit Deinem Kind los auf den Spielplatz und es trödelt und macht nicht richtig mit. Du wirst ärgerlich. Aber dann entsinnst Du Dich, was Du willst und sagst es klar: “Paul, ich möchte, dass Du jetzt Deine Schuhe anziehst. Dann können wir schaukeln gehen.”

Du findest das Chaos mit den Klamotten im Zimmer Deiner Tochter unerträglich und willst, dass es aufgeräumt wird. Du überlegst, was Dir jetzt am Wichtigsten ist und benennst es: “Nina, räume alle schmutzigen Sachen ins Bad, alle sauberen in den Schrank.”

4. Lass los!

  • Du kannst nicht immer alles kontrollieren. Mit einem Kind läuft nicht immer alles nach Plan. Als Eltern ist man ganz schön oft, ziemlich fremdgesteuert. Akzeptiere das!
  • Räume mehr Freiräume ein, plane Termine nicht zu knapp, lass Pufferzeiten zu.
  • Überfordere Dich und Dein Kind nicht mit zu vielen Erwartungen, zu vielen externen Terminen. Dein Kind braucht auch dringend viel freie Zeit zum “einfach nur” Spielen.

5. Lege Humor an den Tag!

  • Habe Spaß, lache viel mit Deinem Kind. Ja, es ist ärgerlich, wenn Dein Kind Deinen Lieblingslippenstift in seinem Gesicht verteilt hat. Aber es ist auch lustig.
  • Tue immer mal wieder was Verrücktes mit Deinem Kind, z.B. bewusst ein Räuberessen unterm Tisch, wo nur die Finger benutzt werden dürfen.
  • Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Lachen befreit und baut Stress ab.

6. Zähle bis 10!

Es werden immer Situationen eintreffen, da überkommen Dich einfach Deine Gefühle. Du bist von jetzt auf dann “auf 180”, “tief verletzt” oder verhedderst Dich auf der berühmten “Palme”, auf die Dich jemand gejagt hat. Das ist Ok! So ist das Leben.

Aber gehe damit sinnvoll um. Es ist sogar relativ simpel. Überliste Dich selbst und zähle bis 10! Es ist nämlich wissenschaftlich bewiesen, dass man unter Stress nicht denken kann (Quelle: Hirnforscher Gerhard Roth, Wirtschaftswoche). Diese 10 Sekunden des Zählens helfen Dir, um die starken Emotionen soweit “herunterzufahren”, damit Du überhaupt wieder rational überlegen kannst. Gönne Dir und Deinem Kind, diese 10 Sekunden, bevor Du reagierst.

Fazit

Geduld ist nicht nur eine Tugend, die man hat oder nicht. Geduld ist auch eine Entscheidung, die man trifft. Wenn man bewusst mit Situationen, in denen man ungeduldig wird, umgeht, kann man rationale und sinnvolle Entscheidungen treffen. Dein geduldiger Umgang mit Deinem Kind, hilft ihm, sich gesund zu entwickeln, es sei denn, es befindet sich in einer gefährlichen Situation. Ob Du geduldig bist oder nicht, hängt auch stark davon ab, welche Erwartungen Du hast. Prüfe diese Erwartungen und ob Du sie Dir und Deinem Kind zumuten kannst. Im letzten Stepp lebst Du nur einmal und solltest Dich nicht von Schwierigkeit zu Schwierigkeit hangeln, sondern bewusst Dein Leben gestalten mit viel Humor – weil damit auch schwere Zeiten ertragbarer werden.

Hast Du noch Fragen dazu? Dann schreibe mir…

Deine Sandra

Sandra Giera ist Familiencoach, Fachreferentin für Erziehung und Mutter zweier Kinder. Mit Herz und Klarheit hilft sie Eltern, die Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, gesunde und glückliche Beziehungen zu schaffen.