Erziehen ohne Schimpfen

Erziehen ohne Schimpfen

Wenn ich das Wort “Schimpfen” höre, denke ich sofort an meine Kindheit zurück. Ich habe direkt den Film vor meinem inneren Auge, wie ich von meinen Eltern zusammengefaltet wurde, weil ich dieses oder jenes falsch oder gar nicht gemacht habe, aber auch weil ich etwas tat, das ich nicht hätte tun sollen. Kennst Du das auch?

Was genau ist Schimpfen und wie schädlich ist Schimpfen für die gesunde Kindesentwicklung? Wenn Du Antworten auf diese Fragen suchst, dann lies einfach weiter.

Definition Schimpfen

Schimpfen ist eine meist lautstarke Verhaltensreaktion auf verspürten Ärger und wird in der Verhaltensbiologie auch als eine Form des Drohverhaltens gesehen, wodurch das Gegenüber eingeschüchtert werden soll. Die eigene Macht wird beim Schimpfen stark hervorgehoben.

Ich ärgere mich also über jemanden oder etwas und bringe meine Verärgerung verbal zum Ausdruck und zwar mit meiner ganzen Kraft der Emotionen, die ich zu diesem Zeitpunkt empfinde. Du kennst das sicher, oder? Wie reagierst Du, wenn Dir z.B. beim Autofahren jemand ganz knapp die Vorfahrt nimmt oder wenn Du daheim nur kurz was aus dem Kühlschrank holen willst und dabei 3 Eier herausfallen? Wir sind Menschen und jeder kennt es, dass man seinem Ärger Luft machen möchte bzw. muss und dann einfach losredet und dabei Sachen sagt oder tut, die man hinterher oft bereut.

Schimpfen in der Erziehung

Erziehen bedeutet, dass ich pädagogischen Einfluss nehme auf die Entwicklung und das Verhalten meines Kindes. Da bleibt es nicht aus, dass Eltern ihren Kindern Einhalt gebieten, wenn sie z.B. etwas Gefährliches oder der Situation Unangebrachtes tun. Damit sich unsere Kinder gesund entwickeln können, haben wir Eltern den Auftrag ihnen Grenzen zu setzen und auch konsequent zu sein, falls diese überschritten werden.

Schimpfen in der Erziehung bedeutet, sein Kind zu tadeln oder zu rügen und dabei Schimpfwörter zu benutzen, die das Kind entwürdigen. Heutzutage sind sich die Pädagogen einig, dass diese Art der Erziehung nicht dem Wohl des Kindes dient und damit abgelehnt werden muss.

Dennoch sind viele von uns und vor allem unsere Eltern noch genau so aufgewachsen. Ich spürte in meiner Kindheit sehr stark das Machtverhältnis zwischen uns Kindern und unseren Eltern. In der Reflexion sehe ich aber jetzt sehr deutlich, dass Überforderung eines der wichtigsten Auslöser für Schimpfen und sogar für richtige Schimpfattacken sind. Die Situation, um die es eigentlich geht, ist nur ein Triggerpunkt und lässt bei uns Eltern einfach das berühmte Fass zum überlaufen bringen.

2 Tipps, wie Du aus der Überforderung kommst und Dein Kind zu seinem Wohle gesund erziehen kannst

Ich habe zwei Tipps für Dich, die Dir helfen können.

1. Sei achtsam mit Dir!

Wenn Du gestresst bist, dann hast Du keine Ruhe auf Dein Kind einzugehen. Du reagierst schnell über, kannst nicht mehr gut nachdenken und Dich nicht mehr in Dein Kind gut hineinversetzen. Warum? Weil Dein ganzes Sein nach Auszeit schreit und nur mit Dir selbst beschäftigt ist!

Was kannst Du nun tun?

Tue Dir Gutes! Halte an! Gönn Dir regelmäßig eine Zeit, nur für Dich, in denen Du nichts leisten und nicht effektiv sein musst, sondern nur entspannst. Am besten ritualisierst Du das, damit Deine Seele, Dein Geist und Dein Körper weiß: Du kommst nicht zu kurz.

Beispiele

    • Trink jeden Tag, immer zur gleichen Zeit eine Tasse Tee oder Kaffee in Deinem Lieblingssessel.
    • Gehe regelmäßig eine kurze Runde spazieren – nur mit Dir ohne Smartphone oder Podcast im Ohr.
    • Versuche Dir Zeiten einzurichten, in denen Du lesen kannst, gezielt Musik hörst.
    • Und das Wichtigste: Lege abends zu einer bestimmten Zeit Dein Smartphone, Tablet usw. an einen festgelegten Ort im Flur und nimm es nicht mit ans Bett. Nutze den Abend, um “runterzufahren”. Es hilft Dir, besser zu schlafen und am nächsten Tag erholter zu sein.

2. Grenz Dich ab!

Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Die Erwartungen an Eltern sind enorm. Ja, Eltern leisten richtig viel. Du leistest sehr viel! Du investierst Dich in Dein Kind. Durch die Digitalisierung wird die Situation noch verschärft. In den Messagern ploppen permanent Nachrichten auf, die beantwortet werden möchten und das am besten sofort. Wenn wir nicht aufpassen, passiert es sehr schnell, dass wir ungewollt in ein Hamsterrad hüpfen, fremdgesteuert sind und dabei immer schneller laufen müssen. Wir hetzen uns ab, sind schlapp, überreizt, weil es einfach zu viel ist.

Was kannst Du dagegen tun?

Halte an! Steig aus dem Hamsterrad aus! Sortiere Dein Leben nach Wichtigem und lass die dringlichen Sachen erstmal links liegen. Grenze Dich ab! Sage Nein! Kümmere Dich zuerst um Dich, siehe oben den ersten Punkt. Dann kümmer Dich um Deine Familie und erst dann kommen die Anderen. Das ist nicht einfach, aber sehr notwendig.

Beispiele

    • Kommt eine Bitte von außen, prüfe, ob Du die Bitte erledigen möchtest und dann prüfe, ob Du Zeit dafür hast. Wenn beides innerlich ein Nein ist, dann äußere Deinem Gegenüber dieses Nein und zwar deutlich: “Nein, ich kann das aktuell nicht übernehmen.”
    • Nimm die Benachrichtigungen aus Deinem Smartphone / Tablet raus. Entscheide selbst, wann Du Deine Mails checken willst oder wann Du den GruppenChat in WhatsApp & Co. lesen möchtest. Setz einen Punkt und komm aus der Fremdsteuerung raus und erlebe neu die Freiheit der Eigenverantwortung. Gehe gezielt und bewusst mit Deinen Medien um.
    • Lass Dein Kind und andere auch mal Warten: “Ich komme gleich, wenn ich den Salat zu Ende geputzt haben.” “Ja, ich helfe Dir bei Deinen Hausaufgaben – in 20 Min.” “Super Idee mit dem Basteln für Oma. Suche doch schon mal einiges an Material heraus, ich komme nach dem Wäsche aufhängen zu Dir.” Das wird Dich entspannen, weil Du Dinge zu Ende tun und Dich innerlich auf das Nächste einstellen kannst.
    • Lass Deine Familie zu Hause auch Arbeiten erledigen. Du musst nicht alles selber machen. Schon ganz Kleine können helfen. Sie lernen Pflichtbewusstsein und Verantwortungsgefühl, nebenbei erlernen sie Fertigkeiten – und Du erhältst Freiraum.

Fazit

Ich glaube Du stimmst mir zu, dass Schimpfen niemandem weiterhilft. Dein Kind fühlt sich nach dem Schimpfen schlecht und Du Dich auch. Schimpfen ist also nichts, was in die Kindererziehung hineingehört.

Und, ich glaube auch hier wirst Du mir zustimmen, es passiert trotzdem – JEDEM. Immer wieder mal, sind wir mit unserer Kraft am Ende und sind schlichtweg überfordert. Ja und dann schimpfen wir. Wenn es Dir passiert, dann reflektiere Dein Verhalten und entschuldige Dich bei Deinem Kind, damit Eure Beziehung nicht leidet.

Lies gern meine drei Artikel hierzu:
Fehler machen: Erlaubt und unvermeidbar!
So bleibst Du konsequent, ohne Dein Kind anzuschreien
Mit Klarheit erziehen – Das Familienhaus hilft Dir dabei!

Ich ermutige Dich, in einen bewussten Umgang mit Dir zu finden, indem Du die 2 Tipps von mir ausprobierst:

    1. Sei achtsam mit Dir!
    2. Grenz Dich ab!

Ich freue  mich, wenn Du mir schreibst und berichtest, wie Dir dieser Beitrag weitergeholfen hat.

Deine Sandra

Sandra Giera ist Familiencoach, Fachreferentin für Erziehung und Mutter zweier Kinder. Mit Herz und Klarheit hilft sie Eltern, die Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, gesunde und glückliche Beziehungen zu schaffen.