Ein neues Baby wird in die Familie geboren
Und das wirbelt ziemlich viel durcheinander. Nicht nur für euch als Eltern wird es eine Umstellung, sondern auch für das große Geschwisterkind wird es jetzt sehr herausfordernd.
Da zieht jemand mit ein in sein Zuhause und beansprucht seine Mama und seinen Papa. Das lässt sich so ein Dreikäsehoch nicht gern gefallen.
Es ist verunsichert, weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat und reagiert dementsprechend merkwürdig (aus Erwachsenensicht). Übrigens läuft das alles unbewusst bei dem großen Kind ab.
Dein erstgeborenes Kind legt wahrscheinlich eine oder mehrere der folgenden Verhaltensweisen an den Tag:
- Ignoranz: Es ignoriert konsequent das neue Baby und tut so, als wäre es schlichtweg nicht da.
- Eifersucht: Es ist eifersüchtig auf den neuen Erdenbürger und zeigt das auch deutlich, in dem es aggressiv reagiert – entweder in Bezug auf das Baby oder (was entschieden häufiger vorkommt) in Bezug auf die Mama. Das Kind ist „böse“ auf die Mama. Das kleine „große“ Kind lebt mit seiner Mutter in einer Symbiose, die sich erst zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr beginnt immer mehr aufzulösen. Ein neues Baby stört diese Symbiose und dagegen „wehrt“ sich das große Kind.
- Rückschritt (Regression): Das Erstgeborene verfällt in Verhaltensweisen, die es eigentlich schon überwunden hat. Z.B. nässt es am Tag wieder vermehrt ein oder kotet sogar in die Hose. Oder es ist wieder vermehrt weinerlich, untröstlich, überschreitet Grenzen, die eigentlich schon akzeptiert wurden.
Kommt Dir etwas davon aus Deinem Familienleben bekannt vor?
Du fühlst Dich wahrscheinlich etwas hilflos oder überfordert in Anbetracht des Ganzen. Ich kann Dir versichern, das geht sehr vielen Eltern so – das ist völlig normal!
Ich gebe Dir 10 Tipps an die Hand, wie Du Deinem erstgeborenem Kind helfen kannst, diese gefühlsmäßig turbolente Zeit gut zu überstehen und wie Ihr als Eltern auch leichter da hindurch kommt.
1. Tipp: Akzeptanz
Versuche zu akzeptieren, dass Dein erstgeborenes Kind keine so große Freude und Liebe für das neue Baby empfindet, wie Du. Für Dich ist es das Schönste und Du erlebst, wie sich Deine Liebe vermehrt für alle Deine Kinder. Aber erwarte das nicht von Deinem kleinen „großen“ Kind. Das entspannt Dich. Die Liebe wird kommen – aber erst später. Sie muss erst wachsen und das braucht Zeit.
2. Tipp: Fokus herausnehmen
Versuche den Fokus vom neuen Baby herauszunehmen, wenn das erstgeborene Kind in der Nähe ist. Zeige nicht ständig auf das Baby und sage nicht immer wieder zu Deinem großen Kind: „Schau mal, wie niedlich es ist. Und guck mal, es hat gestrampelt. Und wie süß es aussieht beim Trinken…“. Das erhöht das Eifersuchtsgefühl beim großen Kind. Versuche stattdessen etwas neutraler umzugehen und ohne große emotionale Bewertung vom Baby in Gegenwart Deines großen Kindes zu reden.
3. Tipp: Großmachen
Du hast ein großes Kind! Zeig und sag ihm das. Es muss sich darüber freuen lernen, dass es schon so groß ist. Sprich in allen möglichen Situationen aus, wie Du Dich freust, dass Dein großes Kind schon dies und das kann. Sprich Anerkennung aus für das, was es bereits kann.
Beispiele
- „Wie schön, dass Du so fein allein isst!“
- „Schau mal, wie gut Du hüpfen kannst.
- „Du kannst Dich ganz allein anziehen, wie groß Du schon bist – toll!“
4. Tipp: Kleine Aufträge vergeben
Gebe Deinem großen Kind kleine Mini-Aufträge, die es auf jeden Fall schaffen kann.
Beispiele
- „Hole mir bitte mal das Tuch, es liegt auf dem Stuhl.“
- „Bring bitte Deinen Becher in die Küche.“
- „Hole mir bitte meinen Hausschuh, er liegt unter dem Tisch.“
Jedes Mal, wenn Dein Kind das gemacht hat, dann lobe es, indem Du es anlächelst und sagst:
„Toll, du bist mir eine große Hilfe.“ oder „Ich freue mich, dass Du den Becher in die Küche geschafft hast. Das hat mir gerade sehr geholfen.“
Nehme bewusst wahr, was Dein großes Kind schon alles kann. Das lenkt Deinen Fokus von dem ab, was es alles an „Blödsinn“ macht. Du schenkst Deinem Kind Aufmerksamkeit und füllst es emotional. Es wird sich wahrgenommen fühlen und allein dadurch schon weniger „Quatsch“ machen.
5. Tipp: Besondere Zeit mit Mama
Das große Geschwisterkind braucht Zeit mit Mama allein. Es wäre sehr hilfreich ein festes „neues“ Ritual einzuführen, wo Mama und das große Kind nur zu zweit sind. In dieser Zeit hat das große Kind seine Mama ganz für sich allein, zum Spielen, Kuscheln, Spazieren gehen, etc. Es ist sinnvoll nicht eine bereits existierende Zeit dafür zu nutzen, sondern eine neue Zeit zu finden. Die Rituale, die vor der Geburt des neuen Babys Bestand hatten, sollten, wenn möglich, unbedingt beibehalten werden.
Ziel ist es, Deinem Erstgeborenen zu zeigen, dass Mama folgender Meinung ist: „Mein liebes Kind, Du bist mir so wichtig! Ich habe Dich lieb und deshalb schenke ich Dir meine Zeit!“ Das muss nicht viel Zeit sein, dafür aber regelmäßig. Es reichen 10 Min am Tag – darf aber auch gern länger sein.
6. Tipp: Viel Papa-Zeit
Der Papa sollte sich jetzt in der ersten Zeit nach der Geburt viel Zeit für sein großes Kind nehmen. Unternehmt etwas zusammen, geht raus, spielt im Kinderzimmer, macht auch verrückte Sachen. So bekommt das große Kind Aufmerksamkeit und ist auch ein bisschen davon abgelenkt, dass die Mama gerade das Baby versorgen muss und deshalb weniger Zeit hat.
7. Tipp: Baby ist einfach dabei
Das Baby sollte einfach bei allen Dingen am Tag mit dabei sein. Mit dem Baby auf dem Arm oder im Tragetuch kann man prima auf dem Boden sitzen und mit dem großen Kind spielen – zu Hause auf dem Teppich, im Garten oder auf dem Spielplatz im Sandkasten. Das große Kind muss sich daran gewöhnen, dass das Baby da ist und auch da bleibt. Dafür muss das Baby gegenwärtig sein. Aber Achtung, beachte dabei Tipp 2: Vermeide es, Dein großes Kind übertrieben auf das Baby aufmerksam zu machen.
8. Tipp: Wenige Neins
Entscheidet als Eltern, was euch wirklich wichtig ist. Benutzt wenige Neins, diese aber konsequent. Versucht eurem kleinen „großen“ Kind barmherzig zu begegnen und nicht aus jeder Situation, die euch missfällt, ein großes Ärgernis zu machen. Euer Kind will euch nicht ärgern! Und die gute Nachricht ist, ihr verpasst keine wichtige Erziehung, wenn ihr jetzt für eine kurze Zeit die „Zügel“ etwas lockerer lasst. Ihr verzieht damit euer Kind nicht.
- Alles was für das Kind gefährlich ist, verdient ein Nein.
9. Tipp: Körperkontakt
Versuche Deinem großen Kind viel Körperkontakt zu ermöglichen. Es braucht dies jetzt sehr dringend. Emotional ist die Zeit schwierig für Dein großes Kind und da braucht es ganz viel Nestwärme!
Beispiele
- Kuscheln
- Kitzeln
- Herumtragen (wenn noch möglich)
- auf dem Schoß sitzen lassen beim Buch lesen, etc.
- Hände streicheln oder kleine Fingerspiele machen beim Einkaufen oder beim Kinderwagen schieben, falls Du ein Kiddy-Board benutzt
- beim Autofahren (als Beifahrer) ab und zu eine Hand nach hinten strecken und Fuß oder Beinchen streicheln
10. Tipp: Geduld
Habe Geduld mit Dir, mit Deinem Partner und auch mit Deinem großen Kind. Dies ist eine bewegende Zeit. Ihr wachst als Familie neu zusammen. Es gibt neue Konstellationen, Abläufe ändern sich, ihr müsst euch neu organisieren. Das ist ein Prozess, den ihr gut meistern werdet.
Es wird ein Ende haben!
Jede Phase endet und mündet in einer Nächsten. 😉
Nach ca. 3-6 Monaten wird Dein großes Kind diese Veränderung gemeistert haben. Die Routine hat sich bei euch eingestellt und es kommt wieder mehr Normalität ins Haus – und das betrifft viele Bereiche eures Lebens.
Hier nochmal alle 10 Tipps im Überblick:
- Tipp: Akzeptanz
- Tipp: Fokus herausnehmen
- Tipp: Großmachen
- Tipp: Kleine Aufträge vergeben
- Tipp: Besondere Zeit mit Mama
- Tipp: Viel Papa-Zeit
- Tipp: Baby ist einfach dabei
- Tipp: Wenige Neins
- Tipp: Körperkontakt
- Tipp: Geduld
Gott schenke Dir Geduld, Weisheit, Humor und Kreativität!
Schreibe mir gern, wie Dir die Tipps weitergeholfen haben oder auch wenn Du mehr wissen möchtest – vielleicht über eine andere „Phase“.
Deine Sandra
Sandra Giera ist Familiencoach, Fachreferentin für Erziehung und Mutter zweier Kinder. Mit Herz und Klarheit hilft sie Eltern, die Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, gesunde und glückliche Beziehungen zu schaffen.