Die 3 Temperamente von Kleinkindern (2-5 Jahre) – Begegne Deinem Kind ganz neu

Die 3 Temperamente von Kleinkindern (2-5 Jahre) – Begegne Deinem Kind ganz neu

Jeder Mensch ist einzigartig geschaffen. Du, ich und natürlich unsere Kinder. Keinen gibt es doppelt!

Dennoch gibt es Verhaltenstendenzen, 3 an der Zahl, die sich ähneln. So gibt es Kinder, die eher aufgeschlossen sind und gleich losspielen. Dann sieht man Kinder, die schnell unsicher sind, meckern, aber trotzdem Kontakt zu anderen suchen, sich dann aber auch wieder schnell ärgern, weil ihnen irgendwas nicht so gefällt. Wiederum andere Kinder klammern sich an Mama und bewegen sich nur irgendwo hin, wenn Mama sich mit bewegt.

Lies weiter und erfahre, wie Du am Besten mit Deinem Kind umgehen kannst, damit Eure Familienatmossphäre von Annahme geprägt wird.

Mein Gedanken-Bild zum Verstehen

Ich liebe Gedanken-Bilder, denn sie veranschaulichen oft eindrücklich und einprägsam gewisse Sachverhalte. Lass uns mal “losgehen”:

“Wir gehen gemütlich wandern. Unser Weg führt am Waldrand entlang, auf der anderen Seite fließt ein kleiner Fluss. Die Sonne scheint. Wir unterhalten uns und genießen die Natur.

Wir hören das Plätschern des Wassers, vom Bach neben uns. Das Wasser fließt vor sich hin, auch mal an spitzen Steinen entlang, durch enge Mündungen, unter einer Brücke hindurch. Wir können mit dem Wasser mitlaufen oder aber mit ihm Rast machen und die Füße ins kalte Nass halten.

Es kommt Wind auf. Er ist sanft, dann wird er plötzlich stärker, es kommen richtige Böen, gerade als wir um eine Wegbiegung gehen, schlägt er uns ins Gesicht. Deine Frisur zerzaust, Du musst dich auf Wind einstellen. Du ziehst eine Windjacke an.

Da, schau mal nach rechts. Siehst Du es? Ja wirklich, da ist ein Reh. Es springt auf der Wiese umher und hält immer mal inne. Es ruht in sich, sucht nach Futter und riecht entspannt am Gras. Wollen wir mal etwas näher hingehen, es von Nahem betrachten. Oh nein, es erschrickt und rennt weg.“

Da will man doch direkt raus in die Natur gehen und das live erleben… 😉

Kleinkinder können sich wie das Wasser, wie der Wind oder wie das Reh verhalten. Schau mal, ob Du Dein Kind in den folgenden Beschreibungen entdeckst.

Kleinkinder sind wie WASSER, WIND und REH…

Die Psychologen Stella Chess und Alexander Thomas haben 20 Jahre lang Kinder beobachtet und in dieser Langzeitstudie herausgefunden, dass es 3 häufig auftretende Temperamentstypen gibt.

  1. Leicht zu lenkendes Kind – Ich nenne es WASSER.
  2. Schwierig zu handhabendes Kind – Ich nenne es WIND.
  3. Schwer zu erwärmendes Kind – Ich nenne es REH.

Schauen wir sie und mal genau an.

1) Das WASSER-Kleinkind

Das Leben mit Deinem Wasser-Kleinkind ist im Allgemeinen von Leichtigkeit und Entspannung geprägt, denn es hat ein ausgeglichenes Niveau in den verschiedenen Temperamentszügen.

  • Es hat einen regelmäßigen Tagesrhythmus. Das erkennst Du am Schlafen, Essen sowie, wann die Windel voll ist bzw. Toillettengänge erfolgen.
  • Es hat eine gute Anpassung, lenkt schnell ein bei Streit, findet Kompromisse, ist nicht nachtragend.
  • Es hat eine gute Mischung zwischen Annäherung bzw. Rückzug. Es weiß instinktiv, ob es auf neue Situationen positiv oder negativ reagieren sollte.
  • Es ist kontaktfreudig, fröhlich, hat keine übermäßigen Reaktionen bei z.B. Freude oder Ärger.

Beispiel

Lena ist eine typische Vertreterin von WASSER. Sie plätschert durch ihr Leben. Wenn sie um etwas gebeten wird, was sie tun soll, tut sie dies gern, egal, mit was sie gerade beschäftigt ist. Sie geht direkt auf fremde Kinder zu, lädt sie zum Spielen ein und kann sich gut anpassen, falls andere etwas anderes spielen wollen. Sie lacht viel, ist freundlich und fröhlich. Sie ärgert sich auch manchmal, dann aber nur kurz. Sie redet nicht über ihre Gefühle und frisst Kummer in sich rein.

→ Gesunder Umgang mit dem Wasser mit Beispielen

  • Du brauchst Dein Kinder nicht stark gelenken, es akzeptiert schnell Regeln und hält sich leicht an diese..

Lena soll ab sofort beim Tisch abräumen helfen und ihren Becher selbst nach dem Essen in die Küche bringen. Das muss ihr nicht jedes Mal gesagt werden, sie wird es einfach tun.

  • Du brauchst bei unerwünschtem Verhalten Deines Kindes oft nur ermahnend blicken und es wird einlenken..

Lena will mit vollem Mund sprechen. Ihr Papa schaut sie an und schüttelt leicht mit dem Kopf. Lena hört direkt mit Sprechen auf, schluckt ihr Essern herunter und redet los..

  • WICHTIG: Achte darauf, Dein pflegeleichtes Kind nicht zu übersehen! Es bekommt oft nicht immer die dringend benötigte Aufmerksamkeit und es kann passieren, dass Dein Kind gut mitläuft im Familienleben, dann aber einfach untergeht. Oder aber es zeigt auf einmal ein auffälliges Verhalten. Es bricht aus, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Grenzüberschreitung ist ein Signal, dass der Liebestank leer ist. Wenn Du dann mit Strafen reagierst, gießt Du noch Öl ins Feuer.

Lena fragt ihre Mama immer wieder, ob sie mit ihr zum Klettergerüst geht. Die Mama sagt 20 Minuten lang “Gleich, mein Schatz.” Lena geht immer wieder allein zum Spielen. Sie schubst ein Kind vom Klettergerüst. Mama steht auf und geht zu ihr. Lena hat es erreicht, Mama ist da. Leider schimpft die Mama erstmal ordentlich, weil sie das Kind geschubst hat. Aber dann bleibt sie da und sieht Lena beim Klettern zu.

  • Gib Deinem Kind mehr Zuwendung und Aufmerksamkeit, statt strenge Konsequenzen.
  • Plane bewusste Qualitätszeiten mit Deinem Kind ein. Viel kuscheln und „quatschen“, damit Du Dein Kind nicht so schnell übersiehst.

Auch wenn Lena es nicht einfordert, tut es ihr gut, wenn Mama und Papa sie ins Bett bringen, eine Geschichte vorlesen und einfach bei ihr sind. Manchmal legt sich Mama auch in Lenas Bett und dann kuscheln sie zusammen. Lena ist glücklich.

2) Das WIND-Kleinkind

Das Leben mit Deinem Wind-Kleinkind ist im Durchschnitt eher herausfordernd. Vieles ist einfach anders und anstrengender, weil diese Kinder schwieriger zu handhaben sind.

WICHTIG: Nicht Dein Kind ist anstrengend, sondern der Umgang mit ihm.

  • Es hat oft einen unregelmäßigen Tagesrhythmus. Es schläft mal früh ein, mal spät, hat Dauerhunger oder isst auch mal gar nichts.
  • Es tut sich schwer mit Anpassung, kämpft innerlich und auch äußerlich sehr mit Beschränkungen.
  • Es hat eine hohe sensorische Reizschwelle (verrutschte Socken, kratzendes Schild, empfindlich auf Geräusche, Gerüche, usw.).
  • Es ist häufig nicht ganz so fröhlicher Stimmung. Es ist eher oft unzufrieden, meckert, nörgelt viel.
  • Es zeigt starke Reaktionen. Das Lachen, aber auch das Schreien ist überlaut, wirkt für Außenstehende als übertrieben.
  • Es lässt sich stark ablenken.
  • Seine Aufmerksamkeitsdauer und sein Durchhaltevermögen ist im Durchschnitt eher niedrig.

Beispiel

Ben ist ein gutes Beispiel für ein Wind-Kind. Im Kleinkindalter kam er oft erst abends 23 Uhr zur Ruhe, ist sehr aktiv, Anziehsachen haben ihn oft gestört, ist sehr sensibel im Geschmackssinn, hat stark geschrien, wenn er sich widersetzte, konnte keine 5 Min still am Tisch sitzen und malen, ist sehr kreativ, durfte viel ausprobieren und selbst erfahren, ist ein fröhliches Kind, der viel mitdenkt und hilft. Als Vorschulkind hat er sich dann verändert, er schafft längere Zeit allein zu spielen, ist sehr konzentriert, wenn ihm etwas gefällt, hinterfragt aber viel mehr und die Unzufriedenheit stieg an.

→ Gesunder Umgang mit dem WIND mit Beispielen

  • Akzeptiere, dass Dein Kind dieses Temperament besitzt.
  • Biete Deinem Kind klare Strukturen sowie einen regelmäßigen Tagesablauf
  • Setze gezielt Grenzen. Formuliere diese klar und deutlich.Ben, es wird nur am Tisch gegessen!
  • Sei konsequent, wenn Dein Kind die Grenze übertritt.Ben, wenn Du vom Tisch aufstehst, dann ist das Essen vorbei. Bleib deshalb am Tisch sitzen!
  • ACHTUNG: Du kannst schnell in einen Negativ-Kreislauf geraten: Dein Kind eckt mit seinem Verhalten an, Du ermahnst und schimpfst schnell und somit bekommt Dein Kind viel negative Aufmerksamkeit von Dir. Dein Kind ist sehr willensstark, was leicht einen Kreislauf aus Fehlverhalten und Strafe erzeugt. Vermeide das, indem Du Dich bewusst auf die positiven Seiten Deines Kindes konzentrierst und diese immer wieder hervorhebst.“Ben, wie gut, dass so viele Ideen hast, mit Dir wird es nie langweilig.”
  • Ermutige Dein Kind viel.“Ben, ich freue mich, wenn ich Dich so ausgelassen toben sehe. Oder: Schau, was Du geknetet hast: Du hast Dir viel Mühe gegeben.”
  • Ermahne und korrigiere das Verhalten Deines Kindes, aber niemals seine ganze Person!“Ben, ich habe Dich lieb. Dass Du die Küchentür mit Butter eingecremt hast, finde ich gar nicht toll und ärgert mich sehr. Das machen wir jetzt zusammen sauber.”
  • Dein Kind braucht viel Freiraum zum Entdecken, Entfalten, Austoben. Dein Kind wird sich dadurch in seinem Temperament angenommen fühlen und das entspannt die Gesamtatmosphäre.Mach längere Tobe-Pausen bei Autofahrten. Lass Dein Kind die Knete durcheinander mischen, auch wenn Du das doof findest. Lass Dich auf neue Spielideen Deines Kindes ein und weiche von der Norm ab. Lass Dich auch bei schlechtem von Deinem Kind nach draußen ziehen und erlebe das Leben durch die Augen Deines Kindes. usw.
  • Gönne Deinem Kind viele freie Spielzeiten und habe nur wenige Termine, wo es „funktionieren“ muss.
  • Versetze Dich in die Gefühlswelt Deines Kindes hinein. Z.B, Warum ist mein Kind gerade so wütend? Frage es auch direkt und rede mit Deinem Kind. So erfährt Dein Kind Wertschätzung und lernt sich selbst besser zu verstehen.

Lies hierzu auch gern meinen Artikel: Kinder haben auch Gefühle: Lerne jetzt, damit umzugehen!

3) Das REH-Kleinkind

Das Leben mit Deinem Reh-Kleinkind ist normalerweise auch herausfordernd, aber anders als mit dem Wind, denn Dein Kind lässt sich nur langsam erwärmen..

  • Es hat häufig Probleme mit Annäherung / Rückzug (kommt von außen etwas, dann ist es zuerst irritiert, braucht Zeit, Geborgenheit und Vertrauen, woraus Sicherheit erwächst, um sich auf Neues einzulassen.
  • Es hat Anpassungsschwierigkeiten. Da Vertrautes Sicherheit gibt, machen Veränderungen Dein Kind unsicher.
  • Es hat oft eine verhalten Stimmungslage: ernster Blick, wenig Lächeln, wenig Reaktionen auf Reden oder Handeln anderer

Beispiel

Mein Sohn ist das perfekte Beispiel für ein REH. Er hatte im Kindergarten jeden Morgen den gleichen Ablauf: In den Gruppenraum gehen, Stuhl suchen an einem Tisch ohne Kinder, Rucksack über Lehne hängen, Brotdose rausholen und frühstücken. Dabei hat er alles abgecheckt, was heut so los ist, wer da ist, wie die Stimmungen sind. Wenn dann die Erzieherin krank war und er in einen anderen Gruppenraum musste, war alles anders. Für ihn enormer Stress. Auf Fotos sieht man ihn fast immer mit dem gleichen “unbewegten” Gesichtsausdruck. Mit uns Eltern hat er auch gelacht und geweint. Sobald andere dabei waren, zeigte er wenig Reaktionen und hatte auch keine große Lust mit anderen in Kontakt zu kommen.

→ Gesunder Umgang mit dem REH mit Beispielen

  • Schätze Dein Kind nicht falsch ein, nur weil es in neuen Situationen oft unsicher ist. Deshalb: Gibt Deinem Kind Zeit bei Veränderungen, besprich alles rechtzeitig und bereite Dein Kind gut auf Neues vor.
  • Oft wird Deinem Kind Unwilligkeit oder Bockigkeit unterstellt, aber hinter der Verweigerung stehen oft Ängste.
  • Hilf Deinem Kind seine Sicherheit zu erlangen, damit es sich lösen kann.
  • Diszipliniere Dein Kind nicht zu massiv, denn sonst verstärkst Du seine Verunsicherung noch mehr.
  • Setze Konsequenzen vorsichtig ein.
  • Dein Kind braucht viel Ermutigung und Unterstützung.
  • Hilf Deinem Kind beim Umgang mit seinen Gefühlen. Lies gern meinen Artikel hierzu: Kinder haben auch Gefühle.

Beispiel

Mein Sohn brauchte viel Sicherheit und musste erst Vertrauen aufbauen, bevor er sich von mir lösen konnte. Ich musste ihm helfen, zu erkennen, dass jede neue Situation auch Chancen für Gutes hatte. Ich musste mich auch immer wieder schützend vor ihn stellen, ihn verteidigen, wenn andere meinen Sohn nicht in seinem Wesenszug des REHs wahrgenommen haben und ihn überforderten.

Und hast Du Dein Kind wiederentdeckt? Oft kann man sein Kind auch nicht eindeutig zuordnen. Es gibt natürlich Mischtypen, die von allen Temperamenten einige Anteile haben. Du kannst es an Deinem Kind beobachten, dass es je nach Situation mal mehr zu dem einen oder anderen Temperamentstyp neigt.

Mir ist eins ganz wichtig: Steck Dein Kind nicht in eine Schublade, denn das hindert Dein Kind daran, sich zu entfalten. Wenn man in einer Raupe immer nur die Raupe sieht, verpasst man die Veränderung hin zum Schmetterling!

Fazit

Du darfst dankbar sein, so wie Gott Dich und auch Dein Kind geschaffen hat.

WASSER fließt ruhig vor sich hin – bei Sonne, aber auch bei Regen.

WIND weht, wo er will. Wenn man sich darauf einstellt, kann man mit Wind super wandern, sogar mit Regen und im Sturm. Er ist erfrischend, holt einen mal aus dem Trott raus und zieht einen mit. Manchmal bläst er mir entgegen, aber es ändert sich auch wieder.

REHE sind vorsichtig, brauchen sicheren Abstand und können dann auch beobachten, Neues aushalten und sich annähern.

Vielleicht ähnelst Du Dich in Deinem Temperament mit Deinem Kind, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht harmoniert ihr gut, vielleicht aber auch nicht. Wichtig ist, dass Du weißt, Du und auch Dein Kind seid einzigartig und wunderbar gemacht. Jeder ist anders und Ok so. Dein Kind muss nicht Du werden, es darf so bleiben, wie es ist.

Je nach Temperament Deines Kindes, solltest Du aber darauf achten unterschiedlich Deine Grenzen zu setzen. Es ist hilfreich, wenn Du Deinen Erziehungsstil angemessen an das Temperaments Deines Kindes anpasst. Dem einen ist bei einem „Trotzanfall“ am besten geholfen, wenn man es in Ruhe lässt und die Aufmerksamkeit entzieht, während ein anderer Halt findet in starken Armen, die es festhalten.

Du als Mama, Du als Papa, seid wie Wanderer. Und WASSER, WIND und REHE machen das Wandern durchs Leben bunt, interessant und erfüllt.

Ich ermutige Dich in Deiner Familie Dein WASSER, Dein WIND oder Dein REH ganz neu zu betrachten und Dich darauf einzustellen, um die beste Wanderung zu erleben, um danach (wenn Dein Kind groß ist) gemeinsam sagen zu können: Das war so schön, zwar auch herausfordernd und anstrengend, aber wir haben es zusammen gut geschafft, sind glücklich und zufrieden!

Viel Freude beim Wandern!

Deine Sandra

Sandra Giera ist Familiencoach, Fachreferentin für Erziehung und Mutter zweier Kinder. Mit Herz und Klarheit hilft sie Eltern, die Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, gesunde und glückliche Beziehungen zu schaffen.